Gastbeitrag von Prodekan Konrad Kuhn

Regen Pfarrverband am 20.09.2024

Konrad Kuhn

Ein Beitrag zu Gegenwart und Zukunft der Kirche im Dekanat Regen und in den Pfarreien und Pfarrverbänden (dezidiert: PV Rinchnach)

Lie­be Pfarrangehörige,

Anfang Juli konn­ten Pro­fes­sor Hans Brantl und Hans Trum aus Rinchnach ihr 30-jäh­ri­ges Pries­ter­ju­bi­lä­um fei­ern. Einen Tag spä­ter fei­er­te mein Wei­he­kurs in einem Got­tes­dienst in Rinchnach ihr 29-jäh­ri­ges Jubi­lä­um. Bei unse­rem Kurs waren es sie­ben jun­ge Män­ner, die Bischof Eder damals weih­te, ein Jahr zuvor waren es sechs.

Am 29. Juni die­ses Jah­res, konn­te Bischof Oster einen Kan­di­da­ten zum Pries­ter wei­hen. Aktu­ell sind im Semi­nar der Diö­ze­se Pas­sau drei Stu­den­ten. Die sich auf sechs Jahr­gän­ge ver­tei­len. Macht also rech­ne­risch 0,5 Pries­ter­wei­hen pro Jahr, statt 6 oder 7 vor 30 Jah­ren. Und bevor jetzt die übli­chen Reflex­ant­wor­ten kom­men (“Lasst sie halt hei­ra­ten!”): In der evan­ge­li­schen Kir­che, so wur­de mir auf Nach­fra­ge bestä­tigt, sieht es kaum bes­ser aus. Und bei unse­ren katho­li­schen Gemein­de- und Pas­to­ral­re­fe­ren­ten, wo es auch kei­nen Zöli­bat gibt, wo auch Män­ner und

Frau­en beauf­tragt wer­den, sieht es eher noch schlech­ter aus: Von 26 frei­en Stel­len konn­ten die­ses Jahr gan­ze drei besetzt werden.

Wenn in rund einem Dut­zend Jah­ren die Wei­he­kur­se von Hans Brantl und Trum und mei­ner so lang­sam in den Ruhe­stand gehen, wird die Diö­ze­se Pas­sau min­des­tens 40 Geist­li­che weni­ger im Dienst haben. Bei jetzt ca. 120. Und das ist sehr, sehr vor­sich­tig gerech­net: Da ist jetzt noch nie­mand vor­zei­tig” gestor­ben, wegen Krank­heit aus­ge­fal­len oder hat aus ande­ren Grün­den aufgehört. 

Schon jetzt ist es nicht mehr mög­lich, den immer grö­ßer wer­den­den Man­gel an Pries­ter und Gemein­de­re­fe­ren­ten durch aus­län­di­sche Geist­li­che aus­zu­glei­chen. Zumal ich immer wie­der direkt und indi­rekt erfah­ren muss, dass die­se vie­len auch nicht gut genug sind. Um es mit den Wor­ten des Gene­ral­vi­kars zu beschrei­ben: Bis 2030 kön­nen wir die Pries­ter­zah­len noch eini­ger­ma­ßen kon­stant hal­ten. Dann geh­t’s dahin.”

Das sind die nack­ten Zah­len, die nicht erst seit zwei Jah­ren, son­dern seit min­des­tens 30 Jah­ren einen dras­ti­schen Wan­del in unse­rer Kir­che beschreiben.

Für den Pfarr­ver­band Rinchnach-Kirch­dorf sieht das unge­fähr so aus:


Ordens­schwes­tern:
80er-Jahreund danach: 4 — 5 
heu­te: Ø

Gemein­de­re­fe­ren­ten:
80er-Jahreund danach: 1 
heu­te: Ø

Pries­ter:
80er-Jahreund danach: 3 
heu­te: 1

gesamt:

80er-Jahreund danach: ca. 8
heu­te: 1


In den meis­ten ande­ren Diö­ze­sen in Deutsch­land, auch in Bay­ern, sieht es schon lan­ge viel schlech­ter aus. In der Diö­ze­se Mün­chen-Frei­sing wer­den zum Bei­spiel vie­le Pfar­rei­en min­des­tens ein Jahr lang nicht mehr besetzt, wenn ein Pfar­rer in Ruhe­stand geht oder wech­selt. In ande­ren Diö­ze­sen ist ein durch­schnitt­li­cher Pfarr­ver­band so groß, wie bei uns das gan­ze Deka­nat Regen.

Man kann nun auf ver­schie­de­ne Wei­sen dar­auf reagie­ren. Man kann wie ein klei­nes Kind die Augen zuhal­ten, mit dem Fuß auf­stamp­fen und nein, nein, nein!” rufen. Man kann das alles auch ein­fach igno­rie­ren und so tun, als wäre nichts anders gewor­den, so wei­ter­ma­chen, wie bis­her und sich wun­dern, wenn stel­len­wei­se schon jetzt immer mehr zusam­men­bricht. Man kann es durch noch mehr Ein­satz und Gschaft­eln kom­pen­sie­ren und sich wun­dern und kla­gen, wenn man noch viel schnel­ler zusam­men­bricht, von Burn­out und ande­ren Pro­ble­men auf die Knie gezwun­gen wird und nie­mand mehr mit­ma­chen will. Man kann auch auf die Kir­che”, den lie­ben Gott und wer weiß, wen noch schimp­fen, dass alles so schlimm ist.

Man kann aber auch die­se Tat­sa­chen zur Kennt­nis neh­men und trag­fä­hi­ge Lösun­gen ergrei­fen. In der Form, dass das Leben einer Pfar­rei eben nicht mehr aus­schließ­lich davon abhängt, ob es haupt­amt­li­che Seel­sor­ger vor Ort gibt, die alles machen, son­dern dass die­je­ni­gen, denen ihr christ­li­cher Glau­be etwas bedeu­tet, sich sel­ber einbringen.

Vor 30 Jah­ren hat die Diö­ze­se Pas­sau unter Bischof Eder und vie­len ande­ren, enga­gier­te Chris­ten auf­ge­ru­fen, in ihren Gemein­den sel­ber Got­tes­diens­te, Wort-“Gottesdienste zu fei­ern. Die­se Wort­got­tes­dienst­lei­ter wur­den aus­ge­bil­det, vom Bischof beauf­tragt. Nicht alle — auch nicht alle Pfar­rer — haben damals begrif­fen, wie not­wen­dig das ist. Nicht als Not­na­gel” not­wen­dig, son­dern weil jeder Getauf­te an die­sem all­ge­mei­nen Pries­ter­amt Anteil hat und damit das Recht und auch die Auf­ga­be hat, gemein­sam Gott zu fei­ern. Auch aus unse­rem Pfarr­ver­band haben sich damals Chris­ten auf­ge­macht, die­se Kur­se zu absol­vie­ren und, solan­ge sie durf­ten, in Ihrer Gemein­de Wort­got­tes­diens­te aller Art zu leiten.

So man­che ande­re Mög­lich­kei­ten gibt es noch, dafür zu sor­gen, dass das christ­li­che Leben einer Pfar­rei nicht ver­trock­net: Da sind die Diens­te im Got­tes­dienst — Lek­tor, Kom­mu­ni­on­hel­fer, Orga­nist; Leu­te, die Fami­li­en­got­tes­diens­te gestal­ten und fei­ern, die Firm­lin­gen und Kom­mu­ni­on­kin­dern in deren Vor­be­rei­tungs­zeit den Glau­ben näher brin­gen. Da sind die Vor­be­ter beim Rosen­kranz — auch beim Ster­be­ro­sen­kranz. Per­so­nen, die als Mes­ner, als Pfarr­ge­mein­de­rä­te, als Kir­chen­ver­wal­tungs­mit­glie­der das Ihre tun. Natür­lich auch die Minis­tran­ten; Kom­mu­ni­on­hel­fer, die immer wie­der mal Leu­ten aus unse­ren Pfar­rei­en die Hei­li­ge Kom­mu­ni­on nach Hau­se brin­gen, weil sie nicht mehr in die Kir­che kön­nen. Das kön­nen übri­gens auch Fami­li­en­mit­glie­der über­neh­men. Und noch vie­les mehr.

Dazu aber muss sich — und all­zu viel Zeit bleibt nicht mehr — auch in den Köp­fen, in den Erwar­tun­gen vie­ler etwas ändern.

Es ist ja nicht so, dass nur die Pries­ter und Gemein­de­re­fe­ren­ten weni­ger wer­den. Die Zahl der­je­ni­gen, denen zum Bei­spiel eine Eucha­ris­tie­fei­er (wenn sie denn nicht nur Rah­men für etwas ande­res sein soll) etwas bedeu­tet, ist ja in den letz­ten Jah­ren auch in unse­ren Kir­chen ganz gewal­tig weni­ger gewor­den — unse­re Kir­chen sind sehr leer gewor­den. Auch das ist eine unan­ge­neh­me Tat­sa­che, vor der man die Augen nicht ver­schlie­ßen darf, sie nicht schön­re­den darf. Mit ande­ren Wor­ten: Wir” sind seit lan­gem sehr viel weni­ger gewor­den. So man­ches also, was bis­her alles so erwar­tet wur­de, was (schö­nes) Brauch­tum, (gute) Gewohn­heit gewor­den ist, geht in die­sem Maße schlicht­weg nicht mehr. Wenn zum Bei­spiel frü­her 30 Leu­te aller Alters­schich­ten sich um etwas geküm­mert haben und heu­te dafür nur noch fünf meist älte­re Per­so­nen da sind — dann muss eigent­lich jedem klar sein, dass da vie­les nicht mehr so geht, wie früher.

Und ein Got­tes­dienst, der nicht von einem Pries­ter gelei­tet wird, son­dern von einem Wort­got­tes­dienst­lei­ter, der hat eben auch

sei­nen Wert”. Es wird in weni­gen Jah­ren nicht mehr vie­le ande­re Got­tes­diens­te geben.

In unse­rem Bis­tum trägt man die­ser Ent­wick­lung nun wie­der ver­stärkt Rech­nung. Der­zeit wer­den die Deka­na­te umor­ga­ni­siert. Das Schlüs­sel­wort heißt Pas­to­ra­ler Raum”. Also Seel­sorgs­raum”. Ein­fach gesagt: Da immer weni­ger haupt­amt­li­che Seel­sor­ger zur Ver­fü­gung ste­hen (wer­den), muss deren Tätig­keit auf grö­ße­re Räu­me ver­teilt wer­den, damit eine Grund­ver­sor­gung mög­lich bleibt. Kon­kret heißt das für unser Deka­nat Regen (und alle ande­ren): Es wird sicher­ge­stellt, dass jede Pfar­rei einen

Sonn­tags­got­tes­dienst pro Woche erhält. 

Ein Pries­ter wird also in eini­gen Jah­ren dann nicht mehr der Pfar­rer nur einer Pfar­rei bzw. eines Pfarr­ver­ban­des sein, son­dern all­ge­mein dem gan­zen Deka­nat bzw. Seel­sorgs­raum zuge­ord­net. Mit dem Dekan bzw. Pro­de­kan als sei­nem Vor­ge­setz­ten. Dass dann nicht mehr in jedem Wei­ler im Deka­nat zum Wunsch­ter­min eine Wunscheu­cha­ris­tie­fei­er wie frü­her gefei­ert wer­den kann, erklärt sich auch von selbst. Und die Fra­ge, ob bei einer Beer­di­gung, an der die Gemein­de nicht teil­neh­men darf, ein Gemein­de­pries­ter von­nö­ten ist, wird irgend­wann auch lau­ter gestellt wer­den müssen.

Umso wich­ti­ger wird es in Rinchnach und in Kirch­dorf, dass in den Pfar­rei­en, in den Dör­fern Chris­ten da sind, die jetzt schon Mög­lich­kei­ten schen­ken, dass Gemein­de sich zum Gebet, zum Got­tes­dienst ver­sam­melt. Dafür, dass man das auch kann, dass man sich sicher füh­len kann, wenn man vor und mit ande­ren Leu­ten betet, fei­ert, lehrt, sorgt — dafür bie­tet das Bis­tum mitt­ler­wei­le eine sehr umfang­rei­che Samm­lung an Aus- und Wei­ter­bil­dungs­kur­sen kos­ten­los an.

Mit einem Ver­gleich des Gene­ral­vi­kars möch­te ich die­se Zei­len beschließen:

Es ist, wie wenn man mit hohem Tem­po auf der Auto­bahn fährt und weit vor einem steht eine Mau­er auf der Fahr­bahn. Dann kann man das igno­rie­ren und in kür­ze unge­bremst in die Mau­er krachen.

Man kann auch erst ganz kurz vor­her in die Eisen stei­gen, dass einen der Gurt würgt und man viel­leicht(!) doch noch vor­her zum Ste­hen kommt.

Man kann aber auch schon lan­ge vor­her das Gas weg­neh­men und sanft aus­rol­lend vor dem Hin­der­nis zum Ste­hen kommen.”

Jetzt haben wir in Rinchnach und Kirch­dorf noch Zeit für den sanf­ten Wandel.

Ihr Kon­rad Kuhn, Prodekan

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